Hallo Dr. Schingale,
Sie gehen davon aus, dass es mir nur "um die Prozente" geht? Das klingt für mich jetzt doch etwas ... ich weiss nicht, wie Sie das meinen.
Es geht mir um beides: Sicher um eine höhere Einstufung, nämlich schlicht, weil die jetzige Beurteilung falsch ist und aufgrund veralteter Diagnosen und Befunde und vom Schreibtisch aus erfolgte. Aber genauso wichtig ist etwas anderes für mich:
Jahrelang wurde ein Lymphödem behandelt und gut war. Soweit man das sagen kann, dass das gut ist ;-). Es war aber gut auch für mich, d.h. ausreichend diagnostiziert, und ich wurde sehr gut behandelt bisher, sowohl ärztlich, als auch physiotherapeutisch. Es bestand keine Notwendigkeit, laufend irgendwelche Tests zu machen, das tägliche Messen, später das wöchentliche Messen hat ausgereicht, sowie ein kleines Tagebuch, wo ich Veränderungen notiert habe über die Jahre. Einmal jährlich ein CT wegen Metastasenkontrolle, das wars weitgehend bisher. Man arrangiert sich damit, muss man ja, und niemanden interessiert es im Alltag, was man (zu tragen) hat.
Dann kam plötzlich eine Frist zur Überprüfung und nun wurde es nach Jahren wegen des Ablaufs des GdB zum ersten Mal überhaupt nötig, das Geschehen und die Veränderungen wieder in Worte, besser: in eine deutlichere Diagnose zu fassen und auch die Funktionsbeeinträchtigungen mit einzubeziehen und zu beschreiben. Das Ganze zu klassifizieren, in ein Raster zu packen usw. und das Ganze so zu beschreiben, dass das Versorgungsamt daraufhin in der Lage ist, diese neuen Untersuchungsergebnisse und das Grading entsprechend neu zu würdigen. Bei der bisherigen Einschätzung ist dies jedenfalls nicht gewürdigt worden, weil ich meine Behinderung noch nie richtig "belegen" musste. 80 % gibt es glaub ich automatisch bei meiner Erkrankung.
Für mich stellte sich jetzt heraus, dass für mich der Besuch in der Charite ein Segen war und ich bin einfach nur froh, dass ich eine kompetente Stelle gefunden habe, die das, was ich sozusagen lymphödemisch fühle und leide, in Worte fasst, die auch ein Versorgungsamt versteht. Und mehr und mehr wurde das plötzlich auch für mich wieder wichtig, mich irgendwo einzuordnen, zumal neue Diagnosen dazukamen. Vielleicht klingt das jetzt blöd für einen Arzt, aber ich will ausdrücken, dass es mir doch um mehr geht als nur eine Erhöhung der Prozente, sondern eine fachlich qualifizierte Beurteilung und ein aktuelles Grading geht, was auch ich irgendwann wieder bei mir "ablegen" und damit vernünftig umgehen kann. Ich will einfach auch wissen, warum ich Schmerzen habe, kriege jetzt Erklärungen, die ich vorher eben nicht so brauchte, warum dies und jenes nicht geht, und ich kann mich auch selbst besser "einordnen". Und das passiert gerade zum ersten Mal für mich, bzw,. ist aufgrund der neuen Diagnosen zum ersten Mal wieder wichtig geworden. Ich kann es nicht besser erklären.
Denn bisher hiess es zum Beispiel: Ein Lympödem tut nicht weh, was wiederum heisst: Du, Patientin, bildest dir das nur ein! Bisher war mir das egal, ich wusste ja, dass ich Schmerzen und Probleme habe und das war auch ausreichend erklärt, um damit umgehen zu können. Nun erklärt sich vieles für mich aber auch mit dem zusätzlichen Lipödem und den anderen Diagnosen (Bindegewebsschwäche, Venenschwäche), aber ich muss das auch immer noch verdauen, sowas kann ich auch nicht in 3 Tagen. Also zum ersten Mal ist es wichtig geworden, eine Klassifikation zu finden, eine Einordnung, ein Grading - wie auch immer, und natürlich die Funktionseinschränkungen dazu, die ja wichtig sind. Dieses Grading war bisher einfach nicht nötig, das Lymphödem war klar diagnostiziert, und wir war es im Grunde egal. ob Grad I oder II, und nun ist sowas eben wichtig.
Natürlich geht es mir darum, die "Prozente zu erhöhen", aber das andere ist wie gesagt auch wieder wichtig geworden. Wie gesagt, kann ich es nicht besser erklären. Ich merke nur zur Zeit, dass das auch wieder etwas schwierig ist, überhaupt mit diser ganzen Begutachtung auch psychisch umzugehen, wie krank man wirklich ist und was man "nur" fühlt, denn gerade nach der Krebserkrankung hat die Fähigkeit, meinen Körper richtig einzuschätzen, doch sehr gelitten. Im Moment ist es daher auch ein bisschen "die Hand aus dem Grab", die jahrelang doch mehr verschüttet war und die jetzt wieder hoch kommt.
Ich bin jetzt wieder verunsichert, ob ich die Untersuchung machen soll oder nicht. Ich habe in der Charite gestern nochmal nachgefragt und es hiess, sie sei nicht notwendig, denn das Lymphödem ist eindeutig diagnostiziert und für das Lipödem brauche ich die Untersuchung nicht.
Ist alles nicht so leicht, sich richtig zu verhalten, denn ich war eben noch nie in dieser Situation, deshalb entschudligen Sie meine vielen Fragen.