Liebe Patienten und liebe Kollegen,
schon ein bißchen mühsam diese ganzen "die Therapeuten sollen und müssen" zu lesen...
Ich bin ausschließlich Lymphtherapeutin, bandagiere jeden Patienten, der ein Extremitätenödem hat. Grundsätzlich nehme ich nur Patienten, die sich bandagieren lassen, das klär ich gleich bei der Anmeldung. Aber mittlerweile suchen mich ja grad diese Patienten!
Die nächsten freien Termine hab ich im Oktober, aber auch das ist nicht sicher. Termine werden eigentlich nur frei, wenn einer stirbt. Tja, das ist nun mal die Realität. Ich habe chronische Patienten, die dauerhaft 1-2x die Woche, aber manche auch nur 1-2x im Jahr mit einem Rezept in Behandlung sind. Je nach Ödemsituation.
Der Hinweis, dass Rezepte innerhalb 10 Tage angefangen werden müssen ist schon richtig, aber, der Arzt kann auf dem Rezept unter "Behandlungsbeginn spätestens am..." ein Datum eintragen, welches z. B. der Zeitpunkt ist, wo die Praxis wieder Termine hat. Oder wenn Patient oder Therapeut aus dem Urlaub ist. Bei manchen Kassen kann das Rezept auch unterbrochen werden, wegen Krankheit, Reha, Urlaub...kann man erfragen, auch die Abrechnungsstellen schicken uns entsprechende Listen (Optica)
Hausbesuche mache ich, aber keine unsinnigen. Von manchen Privatkassen gibt es keine Erstattung für Benzinkosten, z.B. € 9,20 für Hausbesuch einschl. der Benzinkosten.( 10,30 bei Ersatzkassen) Außerdem gibt es zumindest wo meine Privatpatienten versichert sind, keine Erstattung von 60 min MLD, bezahlt werden nur 45 min. Also schaffen wir das gleiche in kürzerer Zeit?!
Auch die Ersatzkassen zahlen seit kurzem auch keine Km mehr, die RVO - Kassen noch. Insgesamt ist die Vergütung von MLD im Vergleich von KG schlechter, je nachdem wie die Zeiteinheit der KG ist (20/25/30 min). Fakt ist, dass insgesamt die Kosten steigen. Also das Geld ist überall knapp, es heißt, möglichst effektiv zu arbeiten und auch den Patienten in die Therapie mit einzubinden. Die Hinweise, bei einer Entstauung, KPE Phase I, Hausbesuche zu machen, tut mir leid, aber das sollte denen vorbehalten sein, die wirklich nicht mehr in eine Praxis kommen können. In der Zeit könnte ich noch einen Patienten behandeln, also verschenktes Geld und Zeit. Jemand mit Gipsbein läßt sich auch in die Praxis fahren....
Man selber fahren, sich fahren lassen, den Bus nehmen, zu Fuß kommen, einer meiner Patienten kommt 5 km mit dem Radl und wird -natürlich - bandagiert beide Unterschenkel und 1 Hand.
Bei den Frauen ohne Führerschein fährt der Männe und die haben immer dicke Schmöker dabei und genießen die Zeit zum Lesen oder gehn spazieren. Ansonsten sollte kein Lymphtourismus betrieben werden, sondern der nächsten Praxis eventuell auf die Füße getreten werden - sanft... - Denn gelernt haben wir alle in den Schulen das Bandagieren, es ist nur eine Sache der Übung.
Ambulante Therapie bedeutet nicht MLD und Bandage wie unter Kliniksituation. Es muss nicht jedes Bein/e 60 min behandelt werden, ich reduziere auch mit der Zeit die Behandlungsdauer und Einheiten, 45min in der KPE II Phase reichen voll aus, bei bd Beinen. Nach der MLD wird wie gesagt bandagiert. Der Patient reicht die Binden an und hält mit fest. Zuhause wird bei Verschlechterung, z. B. im Sommer, auf die Strümpfe bandagiert, oder selbstbandagiert. Oder die Beinen mit dem Wäschesprenger eingesprüht. Das sind die Patienten sehr erfinderisch...
Für 2 Beine bis Leiste brauch ich 15 min oder weniger, je nach Menge des Materials. Das ist ne realistische Zeit.
Pro Bandage zahlen RVO/Ersatzkassen 5,62/5,81, d.h. 11,24/11,62 in 15 min, d.h. 44,96/46,48 /1Std., und somit um einiges über dem, was ich für 60 min MLD bekomme 30,54/35,67!!!! Bei 45 min siehts noch krasser aus RVO/Ersatzkassen: Bandage 33,72/34,86 auf 45 min gerechnet im Vergleich MLD45 18,63/21,20!!! Dumm ist der, der nicht bandagiert!!!
Es gibt Ausbildungsstätten für Lymphtherapeuten, wo vom ersten Tag an das Bandagieren gelernt wird und auch auf Zeit gewickelt wird. Ambulant brauch auch nicht die Menge Material verwickelt werden, wie in einer Klinik. Sollte sich nach dem Ödem, der Beweglichkeit, der Alltagssituation richten. Autofahren ist immer ein Thema. Zu Beginn einer Entstauungstherapie bandagiere ich nur die Unterschenkel, damit Patient sich daran gewöhnt auch beim fahrn, dann manchmal erst das Kupplungsbein und beim nächstem Mal das Gasbein mit. Bei Schlechtwetter - Schnee, Eis, Sturm - bandagiere ich nicht, oder nur Unterschenkel.
Ansonsten lernen von Anfang an alle Patienten ,wenn sie es selber können, die Selbstbandage, ansonsten werden die Angehörigen mit eingewiesen. Somit haben wir bis zum Zeitpunkt des Bestrumpfens eine kontinuierliche Bandagierung die gesamte Woche hindurch. Das mach ich jetzt seit 15 Jahren und es gab noch nie ein Problem beim Autofahren , mit Schuhen, Kleidung... man muß einfach erfinderisch sein und nach der besten Lösung suchen und das ist bei jedem Patienten ein bißchen anders.
Und wenn alles nicht geht, dann ist es ein Fall für die Klinik.
Noch nen Tipp:
Leichter tut es sich immer im Kontakt mit anderen, sowohl für Patienten wie Therapeuten. Wir haben in Gießen seit Jahren einen Therpeutentreffen, zum Austauschen, Fragen stellen, Üben das Bandagieren, Erarbeiten gemeinsam Krankheitsbilder, lernen Lymphtaping, arbeiten mit Bandagisten, Pflegepersonal /Selbsthilfegruppen zusammen, laden Ärzte ein...und noch viel mehr. Wenn ich nicht weiterweiß, ruf ich nen Kollegen/in an oder umgekehrt. Oder vermittele Patienten an Kollegen, von denen ich weiß dass sie bandagieren.
Ideen und Anregungen hierzu: www.quambly.de und www.qualitaetsnetz-kpe.de
Das gleiche gilt für die Patienten, sich vor Ort zusammen zu tun, es hat doch jede/r die gleichen Fragen, welche Therapeuten, Ärzte, Bestrumpfer...Wer macht mit Nordic Walking, geht mit schwimmen, weil alleine traut man sich nicht - der dicken Beine wegen-
Es gibt überall schon Vernetzungen, Aktivitäten, von Seiten der Therapeuten, Sanitätshäuser, Selbsthilfegruppen, Kliniken. Dort sind wirklich Umschlagplätze an Informationen/ viele Workshops, Patientenschulungen...
Ideen und Anregungen hierzu: www.bundesverband-lymphselbsthilfe.de
Viel Spaß beim Bandagieren
oder bandagieren lassen!
Barbara Ritzkowski