Lipödem in der Pubertät - und 1000 Fragen!

  • Bei meiner 14jährigen Tochter wurde vor kurzem ein Lipödem an den Beinen diagnostiziert. Der Facharzt hatte gestern - bei Erstbesuch !- noch nicht einmal 10 Minuten Zeit für uns und hat uns mit all unseren Fragen und Unsicherheiten wieder nach Hause geschickt. Also stelle ich sie hier und hoffe auf Antworten...


    - das Allerwichtigste: hat jemand Erfahrung mit Mädchen in dem Alter? Ich weiß garnicht, was in ihr vorgeht, sie redet kaum und wirkt manchmal fast, als wäre ihr alles egal. Ich habe Angst, dass sie nichts gegen die Krankheit tun wird, obwohl sie weiß, dass es maßgeblich von ihr selbst abhängt, wie das Ödem sich weiterentwickelt - andererseits:wenn ich drängle, ist das eher kontraproduktiv und tut unserem Verhältnis auch nicht gut ... auf gut Deutsch: ich weiß überhaupt nicht, was ich tun soll. Gibt's jemand mit Erfahrung oder vielleicht ein anderes junges Mädchen mit Lipödem, so dass sie sich ein bisschen austauschen könnten?


    - sie soll Drainagen und Bandagierungen machen, anfangs jeden Tag. Bleibt die Bandage wirklich 22 Stunden dran? Ich kann sie nicht so in die Schule schicken, sie ist 14!!! Und wenn wirklich doch, dann muss sie sich doch erstmal an den Gedanken gewöhnen können !?


    - sie spielt Fußball. Ich habe jetzt mehrmals gelesen, dass das wegen der erhöhten Verletzungsgefahr nicht gut ist, gestern der Arzt hat aber gesagt, jede Bewegung - und ausdrücklich auch Fußball - wären auf jeden Fall gut.
    Was ist richtig?


    - sie trinkt furchtbar wenig, hatte auch schon mal einen Nierenstein, schafft es aber trotzdem nicht, meist ist 's am Ende vom Tag mit viel gutem Zureden weniger als 1 1/2 Liter, obwohl sie natürlich versteht, dass das nicht gut ist. Sie hat einfach keinen Durst, muss sich zu jedem Schluck zwingen. Tipps und Tricks??


    - macht eine Reha Sinn und könnte ich da noch mitkommen?


    - machen irgendwelche VHS-Kurse (Aerobic o.ä.) Sinn und werden sie von der Krankenkasse mitfinanziert?


    - Kennt jemand gute Fachärzte in Giessen/Marburg/Alsfeld und Umgebung?


    - Gewichtskontrolle: sie wächst noch ein bisschen, aber nicht mehr viel. Sollte ihr Gewicht jetzt schon ganz konstant bleiben?


    - ist besondere Hautpflege nötig bei Lipödem?


    - was soll sie bei langem Sitzen (Schule, PC...) zur Entlastung tun? Ich nehme an, ein bisschen Fußgymnastik und wenn's geht, Beine hochlegen, oder?


    - gibt's gute Ratgeber mit praktischen Alltagstipps und so, für sie selbst, wenn's geht ohne lauter furchtbare Bilder drin?


    - was müssen wir beim Anpassen der Strümpfe beachten und muß sie die wirklich immer tragen? Wie ist das im Sommer?


    Wir freuen uns über jeden Tipp! Vielen Dank schon mal und dem ganzen Forum ein schönes Wochenende
    Friederike

  • Hallo Friederike,


    dass Ihre Tochter mit 14 schon ein Lipödem haben soll ist sehr ungewöhnlich. Meist beginnt es etwa 10- 15 Jahre nach der Pubertät. Was man in der Pubertät sieht, ist unter Umständen eine stärkere Verdickung der Beine im Sinn einer Lipohypertrophie. Hat denn Ihre Tochter Beschwerden in den Beinen ?
    Dies ist das Hauptsymptom des Lipödems. Wenn Sie sich unsicher sind und sich nicht gut beraten fühlten, sollten Sie in jedem Fall einen lymphologisch erfahrenen Arzt aufsuchen, der die Diagnose überprüft. Eine Liste erfahrener Ärzte finden Sie im Internet unter www.dglymph.de . Übrigens dort auch medizinische Info zum Lipödem.
    Sport und Gewichtskontrolle ist in jedem Falle gut. Eine erhöhte Verletzungsgefahr müsste man beim Lipödem nicht fürchten. Dies gilt nur für ein Lymphödem.


    Herzliche Grüße


    Barbara Netopil

  • Sehr geehrte Frau Dr. Netopil,
    vielen Dank für Ihre Antwort. Die Diagnose wurde in der Oberwald-Klinik gestellt und von der Praxis Jungkunz bestätigt, die ihr Drainagen, Bandagierungen und Kompressionsstümpfe verordnet haben. Meine Tochter hat geschwollene Beine, die abends ganz prall sind und im Laufe des vergangenen Jahres an Umfang zugenommen haben. Sie klagt über schwere Beine und erhöhte Schmerzempfindlichkeit.
    Gruß
    Westerholt

  • Hallo Friederike,


    ich möchte dir als Selbstbetroffene einige Erfahrungen hierzu mitteilen:


    Meine ersten Beschwerden an beiden Beinen hatte ich mit 16 Jahren, sie waren geschwollen, Dellen ließen sich eindrücken, und verursachten ein Schweregefühl und leichte Schmerzen (keine Druckschmerzen sondern einfach so). Mein damaliger Hausarzt meinte, ich habe Wassereinlagerungen, das sei eben so. Gemacht oder geraten hat er eigentlich nichts. Dieser Zustand wurde mal mehr, mal weniger, aber in den späteren 3 Schwangerschaften massiv. Danach aber auch jeweils wieder etwas besser nur nie richtig gut. Das ganze zog sich über ca. 30 Jahre so hin, bis meine Beine schließlich so stark geschwollen, bleischwer und schmerzend waren, dass ich schließlich auf Drängen meiner Familie und Freunde doch mal zum Arzt gegangen bin. Aufgrund meiner geschilderten Krankheitsgeschichte (in etwa so wie jetzt hier) diagnostizierte er bei mir ein primäres Lymphödem beider Beine und verordnete mir KPE, d.h. manuelle Lymphdrainage + Bandagierung + Flachstrick-Kompressionsbestrumpfung + regelmäßige tägliche gymnastische Übungen in Eigeninitiative + Wassergymnastik + Walken + Fahrrad fahren!!!! Ja, das ist wahrlich eine lange Liste, aber seitdem ich das alles konsequent durchziehe geht es mir wirklich sehr gut. Ich nehme gerne die Unannehmlichkeiten in Kauf, weil es echt ganz viel bringt!


    Deine genannte Praxis in Friedberg ist übrigens wirklich kompetent in lymphologischen Angelegenheiten; kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Leider geht dort alles im Schnellverfahren.


    Das einer 14-jährigen verständlich zu machen ist sicher sehr schwer und bedarf großen Einfühlungsvermögens, aber ich möchte dir Mut machen, die Sache gemeinsam mit deiner Tochter anzugehen. Eine 2. oder 3. Meinung einzuholen ist sicher sinnvoll, aber vor allem braucht sie deinen Beistand.


    LG BCS

  • Hallo Friederike,
    in Bad Nauheim arbeitet doch Frau Dr. Netopil. Stellen Sie doch dort mal Ihre Tochter vor. Die wird sie beide optimal beraten können.
    Gruß

    Dr. Herpertz

  • Hallo !
    Bei der Erstdiagnose eines Lipödems , insbesondere im Alter von 14 Jahren, wäre sicher eine 2. Meinung wie schon geschrieben , sinnvoll. Die Schilddrüsenfunktionsollte überprüft werden ( TSH-Blutuntersuchung). Eine STREETEN -Probe( Wasserbelastungstest) kann zur Differentierung
    zwischen Lipohypertrophie und Lipödem beitragen.
    MfG

  • Hallo Hilfriede,


    für deine ganzen Fragen kannst du dir Beratung beim Bundesverband für Lymphselbsthilfe holen. Sie ist die erste Vorsitzende und leitet auch eine Selbsthilfegruppe in Gießen. In der Nähe gibt es noch ein paar andere Selbsthilfegruppen. Die Deutsche Lymphschulung ist so eine Gruppe mit über 100 Mitgliedern, sie ist in Bad Nauheim und Friedberg aktiv. Erkundige dich doch einmal bei Doris Gonnermann ob es in ihrer Gruppe nicht auch ein paar junge Mädchen wie deine Tochter gibt.


    Außerdem kannst du dich übers Internet gut informieren: www.Deutsche-Lymphschulung.de


    Liebe Grüße
    Lili

  • Vielen Dank Lili, Dr. Martin, Dr. Herpertz und Frau Dr. Netopil!
    Ich werde mich wohl doch um eine weitere Meinung bemühen und in der Praxis von Frau Netopil um einen Termin bitten. Außerdem habe ich die Selbsthilfegruppe in Gießen kontaktiert.
    Viele Grüße und schönen Sonntag
    Friederike

  • Hallo Friederike,


    wenn Sie mit Ihrer Tochter nach Bad Nauheim kommen möchten, erreichen Sie mich in der Taunusklinik/ Ödemklinik ( siehe Web Seite ).
    Die Durchwahl zum Sekretariat lautet: 06032-341 161.


    Herzlicher Gruß


    Barbara Netopil

  • Hallo Friederike,
    Ein Lipödem oder Lipohypertrophie hat mit einer Schilddrüsenstörung nichts zu tun. Zur Diagnose braucht man auch die sehr anstrengende Streeten-Probe nicht. Der erfahrene Lymphologe stellt die Diagnose klinisch (durch Befragung, Inspektion und Palpation).
    Gruß

    Dr. Herpertz

  • Hallo !
    Wir sehen bei unseren Patienten mit Lipödem vermehrt pathologische Schilddrüsenbefunde , sodass wir eine entsprechende Diagnostik durchführen / empfehlen.
    Die STREETEN-Probe ist sicherlich etwas anstrengen , sonst aber harmlos , und hilft die erhöhte Kapillarpermeabilität bei Orthostase bei Lipödemen nachzuweisen.Nicht immer können Lipödem und Lipohypertrophie alleine durch Klinik u.s.w. sicher unterschieden werden. Auch in der Argumentation gegenüber Kostenträgern kann dies hilfreich sein.
    MfG

  • Im Beitrag zum Thema Lipödem bei Jugendlichen spricht Herr Dr. Martin von einer STREETEN-Probe als Diagnosemöglichkeit für Lipödem. Was versteht man unter dieser STREETEN-Probe und wie wird diese durchgeführt.


    Grüsse Elke55

  • Hallo !
    Die Streetenprobe ist , kurzgefasst ein kontrollierter Flüssigkeitsbelastungstest ( Als Getränk) zum Test ob diese Flüssigkeit bei 4 Stunden Stehbelastung in normaler Menge oder reduziert über die Niere ausgeschieden wird. Gleichzeitig werden die Beinvolumina zur Zeit 0 und 4 Std. gemessen um zu erfassen ob eine pathologisch vermehrte Einlagerung von Flüssigkeit in den Beinen erfolgt.
    MfG

  • Hallo Friederike und Elke.
    na, dann stehen Sie mal 4 Std. ohne Bestrumpfung auf der Stelle und berichten mir später, ob es "etwas" (Dr. Martin) oder "sehr" (Dr. Herpertz) anstrengend war. Dann werden Sie verstehen, warum ich diesen Test nicht anwende, zumal ich bei der Ödemdiagnostik ohne ihn auskomme.
    Gruß

    Dr. Herpertz

  • Hallo Herr Dr. Herpertz !


    Auch ich stütze mich wie Sie bei der Diagnostik auf Klinik , Anamnese , Befund .. , halte aber in manchen Fällen ergänzende . z.T. auch apparative Diagnostik ( Z.B. Hochauflösende Weichteilsonographie und die STREETEN-Probe ) für sinnvoll. Die Laser-Flux Messungen von Herrn Dr. Strössenreuten und die Mikrolymphographischen Untersuchungen von Fr. Prof. Vesti haben zwar auch beim Lipödem nicht Eingang in die Routine-Diagnostk gefunden aber neue Ansätze , auch zur pathophysiologie erbracht.
    MfG