Liebe PatientInnen,
einer der häufigsten Fragen, mit der sich meine PatientInnen beschäftigen ist, ob sie sich einem lymphchirurgischen Eingriff unterziehen lassen sollen oder nicht. Vielen PatientInnen wird von unterschiedlicher Seite davon abgeraten. Zu hoch die sei die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Problem dadurch noch verstärken würde. Mir ist es sehr wichtig einmal zu betonen, wie unterschiedlich Lymphchirurgie betrieben werden kann. Seit Einführung der Fluoreszenzbildgebung in der Lymphchirurgie haben wir ein ganz anderes Niveau erreicht, man kann als Operateur das Krankheitsbild sehr viel besser verstehen, den Eingriff sehr viel besser planen und intraoperativ das Ergebnis deutlich besser beurteilen, als das noch vor Jahren der Fall war. Entscheidend dabei ist natürlich, dass diese Technik auch vorgehalten wird und der Operateur damit eine entsprechende Erfahrung hat. Das beginnt damit, wie man den Fluoreszenzfarbstoff einspritzt, wann und wie oft man dann die Lymphbahnen mit der entsprechenden Kamera untersucht und welche Schlüsse man daraus zieht. Hat man dann noch die Möglichkeit ein Hochleistungsmikroskop mit zusätzlicher Fluoreszenzeinheit benutzen zu können kann der Operateur sehr viel mehr über die Qualität seines Eingriffs urteilen und - wenn nötig - intraoperativ noch Korrekturen vornehmen. Steht einem eine Fluoreszenzbildkamera der neuesten Generation und in bester Qualität zur Verfügung, so kann man sehr viel mehr Lymphbahnen in der Tiefe detektieren, was wiederum für die Planung der Operation einen entscheidenden Vorteil bedeutet.
Betrachten wir beispielsweise den Eingriff "lymphovenösen Anastomosen": Hier ist das Vorgehen der KollegInnen oft sehr unterschiedlich. Immer wieder fragen mich PatientInnen, warum ich nicht im ersten Eingriff 5-10 Anastomosen setze. Hier wird viel geworben und es werden - gerade in den sozialen Medien - teils beeindruckende Ergebnisse gezeigt. Ich vergleiche es oft mit einer Autofahrt. Natürlich kommen Sie mit 250km/h schneller ans Ziel. Allerdings sind die Risiken ungemein höher. Sollte das Verfahren bei Ihnen nicht funktionieren, also verschließen sich die gesetzten "Anastomosen", so besteht die Gefahr einer Befundverschlechterung, da ja einige Lymphbahnen unterbrochen wurden. Ich beschränke mit in meinen Eingriffen auf 1, maximal 2 Anastomosen. Diese können in höchster Konzentration und technischer Perfektion in nur kurzer OP-Dauer angelegt werden. Dann schaue ich, wie die betroffene Extremität reagiert. Oft reicht es aus, dass der/die PatientIn damit eine deutliche Beschwerdelinderung erfährt. Sollte noch ein Verbesserungswunsch bestehen empfehle ich einen weiteren Eingriff nach frühestens 6 Monaten. Dieses gestaffelte Vorgehen ist bei dem heutzutage sehr geringen Narkose-Risiko vertretbar. Sollte der Eingriff keine Besserung bringen wurden nur eine oder zwei Lymphbahnen unterbrochen, damit ist das Risiko einer Befundverschlechterung sehr gering. Das konnten wir auch in eingehenden Studien nachweisen. Mit diesem Vorgehen konnten wir in unserer letzten Studie nachweisen, dass auch nach 10-24 Monaten bei 92% der PatientInnen eine Volumenreduktion an der betroffenen Extremität erreicht werden konnte. Die Daten wurden im Rahmen einer Doktorarbeit erhoben, die demnächst abgeschlossen und im Verlauf auch veröffentlicht wird.
Ich hoffe, diese Informationen helfen Ihnen ein wenig weiter, das Gebiet der Lymphchirurgie besser zu verstehen. Ich wollte Ihnen zeigen, dass man diese Art der Chirurgie nicht über einen Kamm scheren kann. Das Risiko und die möglichen Chancen dieser Eingriffe definieren sich im Wesentlichen über die Expertise des Operateurs, der Ausrüstung und vor allem auch an dem Vorgehen: aggressiv oder eher zurückhalten mit einen gestuftem Vorgehen und geringeren Risiken.