Liposuktion bei Lymphödem

  • Hallo liebes Forum.


    Ich wollte fragen ob hier jemand schon Erfahrungen mit einer Liposuktion bei einem primären Lymphödem hat sammeln können.


    Wir erwägen dies bei unserer Tochter, da momentan keine LVA möglich ist. Auf dem MRT wurden keine Lymhbahnen gefunden um diese an eine Vene anzuschließen.


    Ich wäre über Erfahrungen oder Anregungen sehr dankbar.

  • Vielen Dank für deine Antwort und deine Einschätzung.


    Bislang haben die Lymphdrainage und die Intensivbehandlung leider nur bedingt geholfen. Nach kurzer Zeit bildet sich das Ödem wieder zurück. Trotz Bestrumpfung und regelmäßiger Lymphdrainage. Deshalb hatten wir uns auch nach anderen Möglichkeiten umgesehen.


    Die LVA funktioniert momentan leider nicht. Als Option wurde uns die Liposuktion vorgestellt.

    Die Liposuktion würde wohl den Umfang deutlich reduzieren und es bestünde die Hoffnung, dass sich dann doch Lymphbahnen zeigen oder sogar ausbilden könnten.

    Deshalb wollte ich in die Runde fragen ob jemand schon damit Erfahrungen hatte.

  • Durch eine Liposuktion entstehen keine neuen und " zeigen sich " keine Lymphbahnen. Nach Prof. Brorson der weltweit die grösste Erfahrung mit Liposuktion bei Lymphödemen hat ,darf das Ödem vor dem Eingriff nicht mehr " dellbar" sein. Danach ist , um das Ergebnis zu halten eine tägliche und nächtliche Kompressiostherapie erforderlich . Auch dieser Eingriff schafft keine neuen Lymphbahnen.Eine intensive stat Behandlung .. ist intensiver als ambulant..) in einer lymphologioschen Fachklinik kann Kollateralen ( Umgehungswege ) ,welche angelegt sind , aktivieren.

  • Vielen Dank für die Informationen und Ihre Einschätzung


    Wir sind auch noch untentschlossen und machen uns etwas Sorgen wegen dem Eingriff.


    Unsere Tochter würde es gerne machen, da sie sich eine Reduzierung des Umfangs verspricht.

    Sie ist mittlerweile 17 Jahre alt und würde gerne auch mal Schuhe tragen, wie ihre gleichaltrigen Freundinen.

    Eine intensive Nachbehandlung mit Lymphdrainage und Bestrumpfung ist ihr/ uns bewusst.


    Vielen Dank für Ihre Expertise

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe auch ein primäres einseitiges Beinymphödem und bin erst dreißig Jahre nach Erkrankungsbeginn zum ersten Mal stationär entstaut worden in einer lymphologischen Fachklinik, dann aber mehrmals im Abstand von anderthalb Jahren.


    Da ist jedes Mal ein Anteil der Fibrosen entfernt worden, jedes Mal noch ein bisschen mehr.


    Damals stand ich vor der Anfertigung von Maßschuhen, jetzt passe ich in Schuhe aus dem Geschäft gut hinein.


    Auch bei einer 17 jährigen macht man vernünftigerweise keine Operation dieser Art, denn dann muss sie möglicherweise lebenslang 23 Stunden am Tag bestrumpft sein, so sagt es jedenfalls Prof Brorson aus Malmö.


    Kennst du die Leitlinie Lymphoedem von 5/17?


    Was spricht denn gegen eine stationäre Entstauung????

    • Offizieller Beitrag

    Ich würde niemals aus kosmetischen Gründen eine OP durchführen lassen.

    Daß Deine Tochter mit 17 Jahren gern schicke Schuhe tragen möchte, ist absolut verständlich, aber mit einem Lymphödem leider nicht in Einklang zu bringen.

    Wenn sie offen und mit freundlichem Lächeln auf die Menschen zugeht, wird niemand nach unten schauen, welche Schuhe sie trägt! Ein bißchen Selbstbewußtsein trainieren und immer daran denken, es ist zwar blöd und niemand wünscht sich das, aber es gibt viel Schlimmeres.

  • Vielen Dank für die Informationen Uli.


    Es freut mich sehr für dich, dass die stationäre Entstaung bei dir so gut angeschlagen hat. Das ist natürlich auch eine gute Option. Ich habe allerdings auch von Fachleuten gelesen, die ein Eingriff mit einer Entstaung in guter Verbindung sehen. Und auch bereits gute Ergebnisse erzielt wurden. Mir ist bewusst, dass es nicht das Lymphödem heilt. Auch geht es hier nicht um eine Schönheitsoperation oder einen kosmetischen Eingriff. Es geht allein nur darum den Alttag und das Leben zu verbessern.


    Eine lebenslange, 23 stündige Bestrumpfung, wie von dir beschrieben, würde aber genau das Gegenteil bewirken. Deshalb danke ich euch für die Beiträge. Die Nachteile eines Eingriffs zu wissen ist viel wichtiger als die Vorteile.

  • Hier mal das Abstract einer belastbaren und sehr aktuellen Studie zu dem Thema aus dem Journal "Lymphology" (s.u.). Ich habe mich früher auch tendentiell gegen eine Absaugung bei allen Lymphödem ausgesprochen.


    Bei nicht mehr dellbaren Ödemen sehe ich das mittlerweile ganz anders. Seit dem wir u.a. mit Lymph-MRTs sehen können, was wirklich passiert, kann man das auch gut belegen. Das ist auch das, was mir Kollege Pieper aus Bonn bestätigt und ich an meinen eigenen Patienten vor und nach Liposuktionen bei nicht mehr dellbaren Lymphödemen sehe: Im Lymph-MRT sind mehr Lymphbahnen zu sehen. Möglicherweise hat es damit zu tun, dass sich der Körper nach so einem Eingriff regenerieren muss, Lymphbahnen sind an sich ja "sprossfreudige" Gefäße im Körper. Es geht sogar soweit, dass ich nun bei einer Patientin wieder LVAs nach einer Liposuktion planen kann, was vorher lt. Bildgebung ausgeschlossen war. Der entscheidende Punkt ist hierbei: Richtige Indikation und ausreichend Erfahrung. Umso wichtiger ist im Anschluss eine leitliniengerechte konservative Therapie. Man kann einen Patienten zum gegenwärtigen Zeitpunkt durch keine Operation "heilen". Mit den richtigen Mitteln in Kombination mit konservativer Therapie allerdings sehr viel erreichen.



    Does Liposuction for Lymphedema Worsen Lymphatic Injury?

    W F Chen 1, S K Pandey 1, J N Lensing 2

    Affiliations expand PMID: 38019875


    Abstract


    Liposuction for treatment of lymphedema is an effective and time-tested treatment. However, as there is a fear regarding further lymphatic damage caused by liposuction, we objectively compared lymphatic function pre- and post-liposuction. All patients with solid-predominant lymphedema who were treated during the study period of June 2014 and November 2018 were included. Patients were assessed using patient-reported baselines/outcomes, lymphedema- specific quality of life scale (LYMQOL), limb circumference/volume measurements, and indocyanine green lymphography (ICGL) preoperatively and at predefined postoperative time intervals. Fifty-seven limbs from 41 patients were included. Mean lipoaspirate volumes were 2035 mL, 5385 mL, and 3106 mL for the arm, thigh, and leg, respectively with a mean adipose fraction of the lipoaspirate of 71%. All patients underwent redundant skin excision with the "flying squirrel" technique. The mean follow-up was 10.7 months (range 3 - 48 months) with a mean limb volume reduction of 32.2% and all patients reporting satisfactory relief of symptoms. All showed statistically significant improvement in LYMQOL in symptoms, appearance, and function. On ICGL, none showed worsened lymphatic drainage, rather, all showed improved lymph drainage. Furthermore, the improved lymph drainage was found to be progressive during the study period in all patients. Our study results demonstrate that treating extremity lymphedema with liposuction does not worsen lymphatic function and in fact, paradoxically, it induces progressive improvement in lymph drainage.

    Viele Grüße


    Christian Taeger


    Prof. Dr. med. Christian Taeger

    Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie

    Zusatzbezeichnung Handchirurgie

    Plastische Chirurgie & Ästhetik an der Isar

    Widenmayerstraße 16

    80538 München

    mail: info@widenmayer16.de

    fon: 089 5480 6666

    instagram: prof.taeger

  • Durch die Ansammlung von Eiweiß, Zucker und Stärke im Lymphödem entstehen die so genannten Proteoglykane, die im Laufe der Zeit zu Adipozyten umgewandelt werden (Földi-Lehrbuch). Wenn sich in einem jahrelang bestehenden Lymphödem keine Dellen mehr bilden lassen, dann gehen wir davon aus, dass neues Fettgewebe entstanden ist. Durch das vermehrte Gewicht an den Beinen entsteht eine Fehlbelastung im Bereich der Wirbelsäule. Bei der Liposuktion geht es nicht um eine Schönheitsoperation, sondern darum die Gehfähigkeit und das Anziehen von Kleidung zu erreichen.

    Mit freundlichen Grüßen


    Dr. med. F.-J. Schingale
    ärztlicher Leiter Lympho Opt Klinik
    Pommelsbrunn
    Tel. 09154-911200
    http://www.lympho-opt.de/

  • Vielen Dank an die Doktoren.


    Ich hatte auch eine Studie u.a. mit der Zusammenarbeit von Prof. Brorson gelesen, dass auch primäre Lymhödeme durch die Liposuktion nahezu zurück gebildet haben. Natürlich in Zusammenarbeit mit einer kontinuierlichen Nachbehandlung mittels Drainage und Bamdagierungen.


    Können Sie vielleicht auch was zu dem Tragen der lebenslangen, täglich 23 stündigen Kompressionswäsche sagen?

    Ist das so oder nur auf bestimmte Zeit nach dem Eingriff? Reichen danach auch die normalen Kompressionsstrümpfe die normalerweise getragen werden? Diese müssen ja auch täglich und lebenslang getragen werden. Aber nachts kann man die ja auch mal weglassen. Vielen Dank vorab

  • Im Anschluss an die Liposuktion sollte 23 Stunden lang die Kompressionsbestrumpfung getragen werden, da am Lymphabfluss nichts geändert wurde und ansonsten wieder neues Fettgewebe nachwachsen würde. Das ganze natürlich lebenslang

    Mit freundlichen Grüßen


    Dr. med. F.-J. Schingale
    ärztlicher Leiter Lympho Opt Klinik
    Pommelsbrunn
    Tel. 09154-911200
    http://www.lympho-opt.de/

  • Danke für die ausführliche Erklärung. Wird der Eingriff denn von der Krankenkasse übernommen? Und wenn die LVA im Anschluss erfolgreich wäre nach der Liposuktion bei der beschriebenen Patientin, wäre es trotzdem notwendig eine Kompression 23 Std/Tag zu tragen?

  • Danke für die ausführliche Erklärung. Wird der Eingriff denn von der Krankenkasse übernommen? Und wenn die LVA im Anschluss erfolgreich wäre nach der Liposuktion bei der beschriebenen Patientin, wäre es trotzdem notwendig eine Kompression 23 Std/Tag zu tragen?

    Ob die Kasse den Eingriff (Liposuktion) übernimmt, muss man mit der jeweiligen Kasse aushandeln. Da kann ich leider nicht weiterhelfen. Unabhängig davon hat man dann aber keine sog. Wahlarztleistung (sofern man nicht privat versichert ist). Das heißt, es kann einem in einer Klinik passieren, dass man bis zum OP-Tag nicht weiß, wer einen operiert.


    Ob nach einer LVA eine Kompression nötig ist: In aller Regel schon. Ich rate meinen Patienten dazu, frühestens 6 Monate nach dem letzen Eingriff eine schrittweise Reduktion der Kompression zu versuchen. Das Ergebnis leitet einen dann. Die Möglichkeit, die Maßnahmen reduzieren zu können besteht, eine Garantie gibt es aber nicht.

    Viele Grüße


    Christian Taeger


    Prof. Dr. med. Christian Taeger

    Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie

    Zusatzbezeichnung Handchirurgie

    Plastische Chirurgie & Ästhetik an der Isar

    Widenmayerstraße 16

    80538 München

    mail: info@widenmayer16.de

    fon: 089 5480 6666

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